„2.000 Złoty für alle“ - Polnische Amazon-Arbeiter*innen fordern Bonuszahlung
- Dział: English news
- Galeria

Am 5. November 2020 legten Amazon-Arbeiter*innen aus dem Lager in der Nähe von Wroclaw, Polen (WRO1) die Arbeit nieder und forderten „2.000 Złoty für alle“. In den folgenden Tagen schlossen sich Arbeiter*innen aus anderen polnischen Standorten dem Protest an und erklärten, dass sie während des bevorstehenden Black Friday weitermachen wollen.
In diesem Jahr haben die Zeitarbeitsfirmen einen zusätzlichen Einstellungsbonus von 2.000 Zloty (etwa 450 Euro) für neu angeworbene Beschäftigte geboten, da sie offensichtlich Schwierigkeiten haben, genügend Arbeitskräfte zu finden.
Der Einstellungsbonus führte zu Unruhe unter den bereits seit mehreren Monaten beschäftigten Festangestellten und Zeitarbeiter*innen, weil diese keinen Anspruch darauf hatten. In den Lagern und Internetforen diskutierten viele von ihnen darüber, dass Amazon sich nur um die Erfüllung von Bestellungen vor Weihnachten kümmert, nicht aber um seine Arbeiter*innen.
Die Gewerkschaft Inicjatywa Pracownicza organisiert seit 2014 Amazon-Arbeiter*innen in Polen organisiert. Sie weist seit Jahren darauf hin, dass das Geschäftsmodell von Amazon auf einer höheren Arbeitsbelastung und auf kurze Zeit befristete Arbeitsverhältnisse in der Hochsaison beruht, in der das Unternehmen die größten Gewinne erwirtschaftet.
Die Unzufriedenheit unter den Beschäftigten hat auch deshalb zugenommen, weil die Mehrheit der polnischen Amazon-Lagerarbeiter*innen in diesem Jahr keine Lohnerhöhung erhalten hat. Seit 2015 führte Amazon Fulfillment Polen jeweils im dritten Quartal des Jahres eine sogenannte „Lohnüberprüfung“ durch, bei der die Löhne in der Region um die Lagerhäuser und in ähnlichen Branchen verglichen werden. Diesmal hat das Unternehmen zum ersten Mal seit fünf Jahren den Grundlohn nicht erhöht mit der Behauptung, er sei immer noch wettbewerbsfähig: So wurde der Stundenlohn der überwiegenden Mehrheit der Amazon-Beschäftigten in Polen bei 20 Złoty brutto pro Stunde (etwa 4,50 Euro) eingefroren. Dies geschieht während der Pandemie, in einer Zeit, in der der Reichtum des Amazon-Besitzers Jeff Bezos unvorstellbar angestiegen ist und er selbst zu den fünf reichsten Geschäftsleuten der Geschichte geworden ist.
Es sei noch erwähnt, dass Amazon einen „Weihnachtsbonus“ von 4 Złoty (0,90 Euro) für jede Arbeitsstunde zwischen dem 8. November und dem 26. Dezember 2020 eingeführt hat. Die Gewerkschaften wurden über den Bonus informiert, hatten jedoch einen höheren Betrag erwartet. Amazon war nicht bereit, Zugeständnisse zu machen.
Ebenso sollte daran erinnert werden, dass nach den diesjährigen Protesten von Amazon-Arbeiter*innen in verschiedenen Ländern von Mitte März bis Mitte Mai 2020 auch Amazon in Polen einen „Covid“-Bonus gewährt hat. Allerdings betrug dieser 4 Złoty (0,90 Euro) und nicht 2 Euro bzw. 2 US-$, wie in den meisten europäischen und den US-amerikanischen Lagern. Offensichtlich ist die Pandemie noch nicht beendet, und die zweite Welle hat Polen vor kurzem schwer getroffen. Die Arbeiter*innen von Amazon werden, wie andere Lager- und Logistikarbeiter*innen, werden als Held*innen bezeichnet, dank derer es möglich ist, während des Lockdowns die Versorgung aufrecht zu erhalten. Aufgrund der anhaltenden Masseneinstellung durch Amazon kommen täglich noch mehr Menschen in Firmenbussen, Kontrollbereichen, Kantinen und den Hallen miteinander in Kontakt und riskieren dabei ihre Gesundheit.
Nach Ansicht vieler polnischer Amazon-Arbeiter*innen haben sie mehr verdient. Viele brachten zum Ausdruck, dass der Bonus von 4 Złoty – genau wie im letzten Frühjahr – das Entgelt für die Arbeit unter den Covid-19-Bedingungen sein sollte, das Weihnachtsgeld dagegen sei etwas anderes und sollte viel höher ausfallen. Viele von ihnen haben in den letzten Jahren dank des Weihnachtsgeldes ihr Haushaltsbudget ausgleichen können, da ihr Einkommen das ganze Jahr über nicht ausreichend war. Dieses Jahr haben sie das Gefühl, dass ihnen der Bonus weggenommen wurde.
Aus diesem Grund fanden in den polnischen Amazon-Lagern ab dem 5. November 2020 eine Reihe von selbstorganisierten Protesten statt, darunter auch Arbeitsniederlegungen, die von wenigen Minuten bis zu einer Stunde dauerten. Arbeiter*innen aus verschiedenen Standorten drückten ihre Forderung aus, indem sie bei der Arbeit orangefarbene Warnwesten mit der handgeschriebenen Parole „2.000 für alle“ trugen. Sie verbreiteten die Bilder online und forderten andere auf, sich anzuschließen: "Wer uns unterstützt, sollte auch eine solche Weste tragen!“.
Die Gewerkschaft Inicjatywa Pracownicza bei Amazon erhielt Aufnahmen der Arbeitsniederlegung durch Gabelstaplerfahrer*innen von Amazon WRO1. In einer Tagesschicht nahmen in den Abteilungen dock (Anlieferung) und ship (Versand) etwa 115 bis 130 Gabelstaplerfahrer*innen an dem Protest teil (und damit die überwiegende Mehrheit aus diesen Abteilungen). Einer der Teilnehmer berichtete: „Die Beschäftigten versammelten sich an einem Ort, und etwa drei Minuten lang drückten sie die Hupen. Diejenigen, die mit uns sympathisieren, kamen als Zeichen des Protests zu uns. Dies machte einen großen Eindruck auf andere Beschäftigte. Natürlich sind die Manager und Leute aus der Personalabteilung sofort erschienen. Am Ende riefen wir dreimal „2.000 für alle!“ Die Nachtschicht hat für eine Stunde die Arbeit niedergelegt, zwischen 1 und 2 Uhr nachts. Die Beschäftigten in den Abteilungen pick (Kommissionieren) und stow (Einlagerung) blockierten die Durchfahrt in der Abteilung pick und versperrten den Weg. Ein anderer Teilnehmer schrieb: „An der Protestaktion bei WRO1 nahmen auch drei Linien in der Abteilung customer return (Remittenden) teil: Etwa 180 Personen machten das Andon-Signal für einige Minuten an.“ Steht das Andon-Signal auf rot, deutet das an, dass es technisch unmöglich ist, die Arbeit fortzusetzen.
In einem Brief an die Amazon-Unternehmensleitung schrieb die Gewerkschaft: „Als Vertreter*innen von Amazon-Beschäftigten und Zeitarbeiter*innen bringen wir unsere Entrüstung darüber zum Ausdruck, dass der Bonus nicht für alle gilt. Wir sind uns bewusst, dass Zeitarbeitsfirmen, die den Bonus anbieten, seit vielen Jahren mit Amazon zusammenarbeiten und indirekt von den Gewinnen profitieren, die von den Amazon-Arbeiter*innen erwirtschaftet werden. Wir bitten um eine Erklärung für diese Lohn- und Gehaltspolitik, die viele Arbeitnehmer*innen für respektlos gegenüber den Beschäftigten halten. Deshalb sind wir der Meinung, dass der Bonus von 2.000 Złoty an alle Angestellten gezahlt werden sollte, unabhängig vom Beschäftigungszeitraum und der Form der Beschäftigung, und unabhängig vom Stunden-Bonus von 4 Złoty. Wir fordern eine Klärung und weitere Verhandlungen über den Bonus.“
Am 13. November hat Amazon geantwortet: „Wir informieren sie darüber, dass Zeitarbeitsfirmen in Bezug auf die von ihnen beschäftigten Arbeitnehmer*innen eine von Amazon unabhängige Lohn- und Gehaltspolitik betreiben. Bei dem Bonus, den die Gewerkschaft in dem Schreiben erwähnt, handelt es sich nicht um einen von Amazon vorgeschlagenen Bonus, und Amazon ist keine Partei in dieser Angelegenheit.“ Amazon hat nicht auf die Tatsache reagiert, dass die Arbeiter*innen irritiert sind, eine solche Lohnpolitik als respektlos empfinden und Proteste organisieren, und ebenso wenig hat Amazon zur Bereitschaft der Gewerkschaft, Gespräche aufzunehmen, reagiert. Stattdessen konnten wir in ihrem Brief lesen, dass die Beschäftigten Weihnachtsgeld aus dem Sozialfonds erhalten werden (der nach polnischem Recht und nicht aus dem gutem Willen des Unternehmens eingerichtet wurde), und Amazon strich heraus, dass es „wie es Tradition ist im November und Dezember zahlreiche Wettbewerbe und Attraktionen geben wird, über deren Einzelheiten in Kürze informiert wird.“
Die Gewerkschaft unterstützt die selbstorganisierten Aktionen der Arbeiter*innen. Wir haben gehört, dass sich mehr Leute beteiligen wollen, insbesondere während des anstehenden Black Friday, wenn die Arbeitsdichte zunimmt. Die Gewerkschaft will diese Proteste unterstützen und, falls erforderlich, den Teilnehmenden rechtlichen Beistand leisten.